Waffenlieferung alternativlos?

26. August 2014

von KONRAD EITEL

An unsere Partei vor Ort und an unsere Bundestagsabgeordnete Martina Stamm-Fibich

Neuausrichtung der Politik: Ja, aber richtig!

An Stelle eines Vorworts: Aus dem Rüstungsexportbericht 2013 der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)

"Im Jahr 2012 erteilte die Bundesregierung insgesamt 16.380 Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von 4,704 Milliarden Euro. 77 Sammelausfuhrgenehmigungen im Wert von 4,172 Milliarden Euro wurden erteilt. Kriegswaffen sind im Wert von 946 Millionen Euro im Jahr 2012 exportiert worden.

Die Bundesregierung hat die Ausfuhr von 66.955 kleinen und leichten Waffen genehmigt, doppelt so viel wie im Vorjahr. Die Auswirkungen von Sturmgewehren und Maschinenpistolen sind verheerend. Immer wieder geraten sie auf illegalem Weg in fragile Staaten und Konfliktgebiete.

Vor allem Rüstungsgeschäfte mit zahlungswilligen und kräftigen Herrschern aus dem Nahen und Mittleren Osten haben zugenommen. Auch die GKKE hat Be¬strebungen der Bun¬desregierung kritisiert, Länder wie Saudi-Arabien als „Stabilitätsanker“ in dieser Region aufzurüsten. Die Frage, wie diese Länder vor dem Hintergrund der Waffenlieferungen an Rebellengruppen in Syrien und in der Sahel-Zone „Stabilitätsanker“ in der Region sein können, hat die Bundesregierung nicht erläutert. Von der oft völlig desolaten Menschenrechtslage, einschließlich der Missachtung der Religionsfreiheit, ganz zu schweigen.

Die Rüstungsexportpolitik geht in die falsche Richtung. Rüstungsexportgenehmigungen werden erteilt in Spannung, oft im Widerspruch zu den eigenen politischen Grundsätzen und Gesetzen. Weitere Erwartungen richten wir auch an diese Bundesregierung: keine Klein- oder Leichtwaffen in Spannungsgebiete oder Konfliktregionen."

Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Sigmar Gabriel hat quasi auch auf diese Aufforderung vom Dezember letzten Jahres die richtigen Konsequenzen gezogen und eine restriktive Haltung zur Genehmigung von Rüstungsexporten angekündigt, zu der ich auch mehr Unterstützung aus unserer Partei gegen die Angriffe der Rüstungslobby und der CSU erwartet hätte.

Doch leider wird dieses positive Signal zur deutschen Außen- und Friedenspolitik mehr als getrübt durch die Entscheidung, direkt in ein Kriegsgebiet Waffen zu liefern. Dies stellt einen deutlichen Paradigmenwechsel deutscher Politik und auch der Haltung der SPD dar, der für mich der Problematik nicht gerecht wird und zudem ohne Beteiligung der Öffentlichkeit und des Parlamentes getroffen worden ist!

Derartig große und weitreichende Entscheidungen müssen in einer demokratischen Gesellschaft öffentlich diskutiert werden können und dann auch in die Meinungsbildung der gewählten Volksvertreter mit einfließen. Die Tatsache, dass die Koalitionsspitzen die Entscheidung getroffen und verkündet haben und der Deutsche Bundestag am 1.September (!) dies nur noch zur Kenntnis nehmen darf ist der demokratischen Entscheidungskultur in diesem Land wieder einmal abträglich. (Auch in der SPD kann ich keine breite Diskussion erkennen.) Ich nehme es Sigmar Gabriel ab, dass dies die schwerste Entscheidung seiner politischen Laufbahn ist. Die Begründung für diese Entscheidung kann ich jedoch nicht teilen. Es sei eine Einzelentscheidung in einem schlimmen Ausnahmefall. Und in vielen Medien und Statements ist von besonderer Grausamkeit die Rede, die die IS-Kämpfer kennzeichne.

Gibt es bei (Bürger)Kriegen nunmehr ein Ranking zwischen grausam und besonders grausam? Ist das in Gaza nicht besonders grausam, im Südsudan, im Ostkongo, in Nigeria, in der Ukraine oder in Syrien? Müssten wir dann nicht auch dahin Waffen liefern?

Wie lange schauen wir schon dem syrischen Bürgerkrieg zu? Vor einem Jahr ließ Assad ein paar Tausend seiner Bürger mit Giftgas ermorden – nicht besonders grausam? Und mit diesem Despoten wollen wir nun – so unwidersprochene Presseberichte – zur IS-Abwehr zusammenarbeiten? Das kommt mir vor wie Ebola mit der Pest bekämpfen zu wol¬len.

Wo haben die IS-Kämpfer Waffen und Geld her? Immer wieder wird z. B. Katar genannt, auch ein Land das wir mit Waffen beliefern. Dies macht nur umso deutlicher, dass wir unsere Politik und unsere Waffenexporte konsequenter als Friedenspolitik ausrichten müs¬sen.

Mahnwachen und Friedenslieder halten die IS nicht auf, so eine polemische Argumentation. Aber neben der jetzt notwendigen humanitären Hilfe geht ja auch um eine mittel- und langfristige politische Lösung, die mit deutschen Waffen nicht zu bewerkstelligen ist. Militärisch werden die Iraker und Kurden von USA unterstützt, die ja bereits seit 11 Jahren dort im Land sind. An Waffen fehlt es offenbar an keinem Kriegsschauplatz der Erde – noch mehr schaffen keinen dauerhaften Frieden, sondern weiterhin Tod, Verwundung, Elend und Vertreibung. Und „den Kurden“ einfach Waffen zu überlassen – was passiert mit denen auf Dauer? (Die PKK, die dort auch mitkämpft, ist bei uns übrigens als terroristische Vereinigung verboten!).

Wo wir einen Wechsel unserer Politik dringend brauchen ist in der Bewältigung der Folgen dieser Kriege und Katastrophen: in unserer Asyl- und Flüchtlingspolitik.

Während die italienische Marine mit der Mission „Mare Nostrum“ Tausende Menschen aus dem Mittelmeer gerettet hat schotten wir uns weiter ab, leider auch unter Mitwirkung der SPD in der Großen Koalition. An Stelle der unsäglichen Dublin-Regelungen muss endlich eine Kontingentlösung geschaffen werden die die Mittelmeeranrainer Griechenland, Italien und Spanien entlastet und den Ausbau der Festung Europa stoppt. Dies ist das Gebot der Stunde für eine Gesellschaft, in der die Würde des Menschen unantastbar sein soll.

Ich hoffe, mit meiner Stellungnahme eine notwendige Diskussion mit zu initiieren damit wir gemeinsam zu den richtigen Ergebnissen kommen. Es bleibt nicht viel Zeit – fangen wir an!

Herzlichen Gruß Konrad Eitel

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